Tagung des Arbeitskreises für hagiographische Fragen in Stuttgart-Hohenheim

Vom 3. bis 5. April 2025 durfte ich als Mitglied unseres Graduiertenkollegs an der Tagung „Neue Forschungen zu hagiographischen Fragen“ in der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart in Stuttgart-Hohenheim teilnehmen. Die Veranstaltung, organisiert vom Arbeitskreis für hagiographische Fragen, bot eine intensive Auseinandersetzung mit aktuellen Perspektiven der Heiligenforschung. Die interdisziplinäre Ausrichtung, die Einbindung von Nachwuchswissenschaftler:innen machten die Tagung für mich zu einem besonders wertvollen Erlebnis – fachlich wie auch persönlich.
Hagiographie als lebendiges Forschungsfeld Schon die Einführung durch das Organisationsteam zeigte: Hagiographie wird in der heutigen Forschung als interdisziplinäres Forschungsfeld verstanden, das Heiligkeit nicht nur beschreibt, sondern als kulturell geformte, medial vermittelte und gesellschaftlich wirksame Praxis analysiert. Die Beiträge auf der Tagung verdeutlichten eindrucksvoll, wie vielseitig und aktuell hagiographische Themen verhandelt werden können. Die freundliche und konstruktive Atmosphäre wurde nicht zuletzt durch die methodische Offenheit der Tagung gefördert: Historiker:innen, Theolog:innen, Literatur- und Kunstwissenschaftler:innen sowie Vertreter:innen der Religionswissenschaften diskutierten auf Augenhöhe. Als Nachwuchswissenschaftlerin empfand ich die Aufgeschlossenheit gegenüber innovativen Fragestellungen und alternativen Forschungsansätzen als besonders motivierend.


Einblicke in aktuelle Forschungsprojekte

Im Hinblick auf mein eigenes Forschungsthema waren die Vorträge zu Geschlechterfragen in spätmittelalterlichen Heiligenviten für mich von besonderem Interesse. Der Vortrag „Religiöse Charismatikerinnen und gesellschaftlicher Wandel“ verhandelte die Rolle von Charismatiker:innen im 9.-11. Jahrhundert. Durch die quantitative und qualitative Auswertung der Quellen wurde veranschaulicht, wie die Wahrnehmung von Charismatiker:innen und deren Einfluss auf politische und soziale Strukturen dokumentiert und interpretiert wurden. Besonders interessant fand ich die in dem Vortrag präsentierte Methodik um die Verwendung eines Datenanalyse-Tools zur ersten systematischen und quantitativen Auswertung der Quelltexte. Ein besonderes Schlaglicht auf die Genre-Problematik warfen die Beiträge zu den Heiligengeschichten des Ehepaares Heinrich und Kunigunde sowie zur Verbindung von Prophetie und Heiligkeit bei weiblichen Charismatikerinnen des 14. Jahrhunderts. Die Analysen zeigten die differierenden Schwerpunkte in Bezug auf Geschlechterrollen auf, die in den Texten hinsichtlich Keuschheit und Prophetie verhandelt wurden. Die anschließenden Diskussionen waren stets anregend und teils kontrovers, jedoch immer von Respekt und konstruktivem Austausch geprägt.


Austausch und Vernetzung

Im Anschluss an die Beiträge bestand stets ausreichend Zeit für den persönlichen Austausch.
In den Kaffeepausen, beim Essen und bei Spaziergängen durch den Hohenheimer Schlosspark ergaben sich anregende Gespräche, sowohl mit anderen Doktorand:innen, Postdocs als auch mit etablierten Wissenschaftler:innen. Die Ideen, Anregungen und Perspektiven, die ich in diesen Gesprächen gewonnen habe, werde ich in meine künftige Forschung einfließen lassen und weiterverfolgen.


Hagiographie als interdisziplinärer Begegnungsraum

Die Tagung hat mir noch einmal sehr deutlich vor Augen geführt, wie fruchtbar interdisziplinäre Zugänge im Hinblick auf hagiographische Fragestellungen sein können. Hagiographische Quellen liefern Einblicke in die Sozialgeschichte und die Ideenwelt ihrer Zeit und sind kultureller Speicher, in dem Fragen von Macht, Glauben, Identität und Gesellschaft verhandelt werden. Sie mit heutigen Mitteln zu analysieren, bedeutet auch, neue Brücken zu schlagen – zwischen Vergangenheit und Gegenwart sowie zwischen Disziplinen und Denkräumen.