Käthe Sophie Hanschmann
Promovierende/-r - Kohorte 2
Mittel- und neulateinische Philologie

Forschungsprojekt
Wie die meisten der erhaltenen klassischen Autoren wurde der heidnische Dichter Horaz in der mittelalterlichen Schule vor allem zum Spracherwerb gelesen. Seine Stellung im Lektürekanon war aber nicht selbstverständlich. Für jedes seiner Werke galt zu rechtfertigen, inwiefern dessen Lektüre einen Mehrwert für die Ausbildung hatte. In den Accessus, die den meisten Horaz-Kommentaren vorangestellt wurden, werden nicht nur die Vorteile der Horazlektüre dargelegt, sie geben zudem Kontextinformationen - etwa eine kurze Vita oder Informationen über den Werkaufbau -, die auf die Auseinandersetzung mit dem Werk vorbereiten sollen. Zu diesem Zweck werden Informationen über Horaz und sein Werk aus vielen verschiedenen Quellen wie Grammatiken, Kommentaren, Viten, anderen Accessus oder dem Horaztext selbst gesammelt. Auffällig ist, dass die unterschiedlichen Accessus große inhaltliche Übereinstimmungen aufweisen.
Ziel dieses Projektes ist es, die oft nicht gekennzeichneten Quellen in den Accessus zu identifizieren. Durch den Blick auf die individuelle Auswahl von Informationen und deren sprachliche Präsentation soll die autonome Leistung der anonymen Verfasser gewürdigt werden. Durch den systematischen Blick auf die Accessus zu den verschiedenen Werkgruppen des Horaz soll außerdem dazu beigetragen werden, die Widersprüche in der Sekundärliteratur zur mittelalterlichen Horazrezeption abzuschwächen, die v.a. dadurch entstanden sind, dass die Forschenden eine unterschiedliche, sehr selektive Auswahl an Originaltexten als Grundlage für ihre Schlussfolgerungen wählten.