Raffael Schmidt
Promovierende/-r - Kohorte 1
Alte Geschichte
Forschungsprojekt
"Die Livius-Tradition"
Nachdem Titus Livius zu Beginn der augusteischen Zeit mit der Arbeit an seinem Lebenswerk Ab urbe condita begonnen hatte, ersetzte seine Darstellung schnell die Geschichtswerke der römischen Annalisten als Standardwerk zur republikanischen Zeit. Der gewaltige Umfang seines opus (142 libri) führte zur Notwendigkeit, der Öffentlichkeit verkürzte Formen seines Werks zur Verfügung zu stellen. Von der tiberischen Zeit bis tief in die Spätantike hinein entwickelte sich daher die Tendenz einer programmatischen Verkürzung des livianischen Werks. Einige der Werke dieser sogenannten postlivianischen Autoren stehen uns im Gegensatz zum livianischen Original (hier sind lediglich die libri 1-10 sowie 21-45 erhalten) vollständig zur Verfügung.
Hauptziel des Dissertationsprojektes ist nun die Erarbeitung eines theoretischen Fundaments für Rekonstruktionsversuche bedeutender Aspekte der libri amissi des Livius (z.B. Personenportraits mittel- und spätrepublikanischer Akteure). Zu diesem Zweck müssen die Renarrationsmethoden der Autoren im "engeren Kreis" der Livius-Tradition einer genauen Analyse unterzogen werden, um Rückschlüsse auf ihren jeweiligen autonomen Umgang mit den historischen Informationssamples des Livius zu ermöglichen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse soll danach an ausgewählten Beispielen demonstriert werden, inwieweit die Möglichkeit besteht, über die Werke postlivianischer Autoren auf verlorenes Material des livianischen opus magnum zuzugreifen. Autoren und Werke, die dabei in ihren direkten Vergleichsmöglichkeiten zu Ab urbe condita ausgewertet werden sollen, sind Florus, die Periochae, die Oxyrhynchia, Eutrop, Rufius Festus, Iulius Obsequens und Orosius.
Für das gemeinsame Forschungsfeld ist die Beschäftigung mit den Autoren der Livius-Tradition deshalb von Interesse, weil sich hier die Autonomie heteronomer Texte aus einer gänzlich historiographischen Perspektive offenbart: Die historischen Informationen des Livius werden tradiert aber auch diskursiv instrumentalisiert. Es soll innerhalb der Dissertation also versucht werden, verlorenes Material des Prätextes über die erhaltenen Metatexte zu rekonstruieren.
Curriculum Vitae
Seit 01/2023 - Doktorand am DFG-Graduiertenkolleg 2792 „Autonomie heteronomer Texte in Antike und Mittelalter“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
04/2021-03/2023 - Wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Klassische Philologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
10/2020 – 07/2022 - Master der Geschichtswissenschaft (Schwerpunkt: Alte Geschichte) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
04/2018 – 03/2020 - Studentische Hilfskraft an den Instituten für Klassische Philologie und Alte Geschichte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
10/2015 – 09/2019 - Bachelor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf in den Fächern Geschichte und Antike Kultur
05/2015 - Abitur am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium, Leverkusen
26/09/1997 - geboren in Troisdorf
Präsentationen
21.06.2024 (Göttingen) - "Die Livius-Tradition: Rezeption und Rekonstruktion"
16.11.2023 (Graz) - Livius rekonstruieren? Das Personenportrait des Marius im Spiegel der Livius-Tradition
13.11..2023 (Jena) - Epitoma oder Breviarium? Terminologische Klärungen am Beispiel postlivianischer Werke
23.5.2023 (Jena) - Die Livius-Tradition zwischen informationeller Heteronomie und autonomer Identität
13.12.2021 (Düsseldorf) - Römische Militärdesaster von Cannae bis Arausio. Erklärungsansätze und Konsequenzen