AT-AG in Leipzig: Ein vielseitiger Blick aufs Alte Testament – und darüber hinaus

Zur Teilnahme an der diesjährigen AT-AG (Alttestamentliche Arbeitsgemeinschaft) führte mich meine Reise in unsere geschichtsträchtige und fahrradfreundliche Nachbarstadt Leipzig. Geschichtsträchtig ist auch die Tradition der AT-AG: Schon zu DDR-Zeiten trafen sich die Kolleginnen und Kollegen der theologischen Fakultäten aus Dresden, Halle, Erfurt, Jena und Leipzig regelmäßig und in ökumenischer Einmütigkeit.

In diesem Jahr reichten die verschiedenen Vorträge von Doktorandinnen und Doktoranden vom praktisch-theologischen Feld der Predigthilfen in der DDR über nordwestsemitische Tabellen bis hin zu biographischen Einblicken in das Leben eines ukrainischen Hebraisten, der in Halle und Leipzig unterrichtete.

Spannende Entdeckungen gab es beispielsweise beim Betrachten von Predigthilfen der katholischen DDR-Kirche zu machen. Aufgrund einer neuen Perikopenordnung wurden sie im Zeitraum von 1971 bis 1979 von 182 DDR-Autoren und -Autorinnen verfasst und in 18 Bänden veröffentlicht, die 6644 Seiten umfassen. Sie trugen den Titel „Das Wort an die Gemeinde“. Eine Selbstzensur fand bereits beim Niederschreiben im Kopf statt, bevor die Manuskripte von kirchlicher und staatlicher Seite gesichtet wurden. Innerhalb der staatlichen Behörde benutzte man beim Zensieren z.B. den Code: „Uns aus  unserem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun.“ Ein Zitat aus der Internationalen.

Im Anschluss an diesen spannenden Vortrag durfte ich über meine Forschung zu den Psalmen Salomos referieren und die Zuhörenden zu einer intertextuellen Spurensuche in PsSal17 einladen. Inwiefern nimmt dieser Psalm Bezug zu Texten aus dem Deuteronomium, den Könige- oder Samuelbüchern? Und wie lassen sich diese Text-Text-Bezüge sinnvoll klassifizieren?

Daran schloss sich ein methodisch-reflexiver Exkurs in verschiedene Tabellen aus dem nordwestsemitischen Raum an: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einer Tabelle und einer Liste? Können wir eine Aussageabsicht hinter der Anordnung von Frauen- und Männernamen in diesen Tabellen entdecken? Interessant war zu sehen, dass sich in einer der Tabellen deutlich die gerechte Bezahlung einer Frau herauslesen ließ, die im Vergleich zu dort aufgeführten Männern teilweise sogar mehr Lohn erhielt.

Bei all den anregenden Vorträgen sollte auch das persönliche Gespräch und das leibliche Wohl nicht zu kurz kommen. So begab sich die fachkundige, aber hungrige Gruppe zur Mittagszeit in das fußläufig entfernte Restaurant „Mio“.

Wieder im Hörsaal angekommen, ließen wir den Tag mit zwei interessanten Vorträgen von zwei Doktorandinnen aus Halle ausklingen. Einer führte uns zu den Targumim des Exodusbuches, der andere zur leidvollen Lebensgeschichte des jüdischen Hebräischlehrers Mojzis Woskin-Nahartabi (1884-1944).

Inspiriert von diesen vielseitigen Einblicken in die Forschungsarbeiten in und ums Alte Testament herum und einigen sachkundigen Hinweisen durfte ich wohlbehalten wieder nach Jena reisen, um meine Arbeit fortzusetzen.