Eine archäologische Entdeckungsreise: Tel Shaddud – small Tel, big stories

Bereits die allererste Begegnung zwischen meinem Doktorvater Prof. Dr. Hannes Bezzel und mir war geprägt von einem kleinen, unscheinbar wirkenden Kulturschutthügel im Norden Israels: Tel Shaddud. Es war das erste Gespräch in einem Jenaer Restaurant, der Beginn der Auswahltagung für das Graduiertenkolleg, in dem ich nun seit einem Jahr arbeiten darf. Wir setzten uns damals einander gegenüber und Hannes Bezzel begann unverzüglich von der archäologischen Feldstudie und der geplanten Ausgrabung in Tel Shaddud zu schwärmen.

Neben der bereits oberflächlichen Entdeckung vieler Scherben, die bis in die Bronzezeit zurückgehen, gab und gibt es noch viele weitere gute Gründe für das interdisziplinäre Team, die es sinnhaft machen, gerade dort – in der Nähe von Nahalal – eine mehrjährige Ausgrabung zu beginnen: Die strategisch gute Lage des Tels an einer früheren Handelsstraße, die am Rande der Jesreel Ebene gelegen das südliche Ägypten mit dem nördlichen Kleinasien verband und zudem einen Kreuzungspunkt nach Osten über den Jordan bot. Außerdem der ägyptisch anmutende Sarkophag mitsamt Grabbeigaben, der am Fuße des Tels bei Rettungsgrabungen gefunden wurde und schließlich die Form des Tels, die eine frühere Befestigungsanlage vermuten lassen. Die Chancen standen sehr gut, dass wir etwas aus der römisch-hellenistischen Zeit finden würden, mit der ich mich im Rahmen des Graduiertenkollegs auseinandersetze. Ob wir Texte finden würden, war unklar. Man weiß bei einer Ausgrabung nie vorher, was man finden wird. Genau das macht es spannend!

Allerdings kann man sagen, dass die Theologen im Ausgrabungsteam besonders die Frage bewegte, ob dies der Ort sein könnte, an dem einer der ältesten Texte des Alten Testaments und der einzige poetische Text im Richterbuch entstanden sein könnte: Das Loblied Deborahs (in Richter 5). Sich dessen Entstehung in dieser weiten und trockenen Landschaft vorzustellen, war aufschlussreich, da die alttestamentlichen Psalmen den Prätext für diejenige Textsammlung bilden, deren Heteronomie und Autonomie ich in meiner Promotion untersuche: Die Psalmen Salomos.

Um mich auf dieser – im wahrsten Sinne des Wortes – tieferliegenden Ebene dem Feld meines Forschungsgegenstandes zu widmen – wurde die Reise geplant, die Finanzierung genehmigt, der Rucksack gepackt. Und als ich endlich am Donnerstagabend in Tel Aviv gelandet war, freute ich mich, dass ich meine erste Nacht dort verbringen durfte. Gleich am nächsten Morgen durfte ich das Meer genießen! Eine kleine Tour durch die Altstadt Jaffa begeisterte mich durch ihre verwinkelten und blumigen Straßen. Pünktlich vor dem Beginn des Shabbat am Freitagabend nahm ich den vorletzten Zug nach Jerusalem, um ihn dort ruhig an der Klagemauer und dann entspannt mit liebgewonnenen Menschen zu verbringen.

Am Sonntagmittag brachte mich – gemeinsam mit anderen unseres Ausgrabungsteams – ein Zug, der ersichtlich ehemals der Deutschen Bahn gehörte, in den Norden des Landes, in die Nähe des heutigen Haifa: nach Nahalal. Wir wurden freundlich am Bahnhof empfangen und zu unserer Unterkunft gebracht. Dann ging es direkt zum ersten Meeting, bei dem wir uns als Team kennenlernten und von Dr. Omer Sergi von der Universität Tel Aviv und Dr. Karen Covello-Paran von Israel Antiquities Authority eingeführt in die bisher bekannten Funde und wissenschaftlichen Überlegungen hinsichtlich des zu erforschenden Tels.

Am nächsten Morgen um 4 Uhr klingelte der Wecker und nach einem Kaffee fuhren wir sehr pünktlich um 4:45 Uhr in angemieteten Autos von der Unterkunft zum Tel. Dort wurden noch vor Sonnenaufgang die Werkzeuge auf den Tel getragen, die schattenspendenden Netze errichtet, Werkzeuge und Aufgaben verteilt und los ging es mit dem Graben. Anfangs konnte ich Scherben noch nicht von flachen Steinen unterscheiden, denn alles war dreckig. Dank der vielen Scherben bekam ich jedoch die Gelegenheit, das schnell zu lernen. An meinem ersten Tag fand ich eine antike Perle, später auch mittelalterliches Glas, eine britische Patrone und viele Feuersteine. Spannend war, dass wir neben all diesen Funden in unserer Area zusehends einen Steinfußboden ausgraben konnten! Und als wir dann auf die Idee kamen, von dem einen Stein etwas Dreck zu kehren, kam zum Vorschein, dass dies ein Getreidemahlstein war, zu dem ich am nächsten Tag noch den entsprechenden Stößel fand. Es entstand nun die These, dass dies der Innenhof eines römischen Landhauses sein könnte, der zur Essenszubereitung genutzt wurde, was auch die vielen Scherben aus dieser Zeit erklären würde.

Letztlich war die Ausgrabungswoche für mich viel zu schnell schon vorüber. Sicher brachte mich das Flugzeug wieder nach Deutschland. Insgesamt darf ich dankbar auf diese zurückblicken (insbesondere angesichts der aktuellen, politischen Situation dort).

Diese erste archäologische Reise war für mich eine rundum bereichernde Erfahrung, die meine Perspektive auf mein Forschungsprojekt erweiterte, indem sie mir die römisch-hellenistische Zeit und Kultur, zu der mein heteronomer Text zählt, ein Stück be-greif-barer machte!